Zuerst war noch die Rede von einigen Tausend Datensätzen: Personen- wie auch Konto-Daten, die auf einer CD in Umlauf gebracht wurden. Dann sollten es, nach einem „Scheinkauf“ durch Datenschützer schon Millionen sein, und nun melden FTD wie Spiegel Online in fast gleich lautenden Artikeln und unter Berufung auf die Süddeutsche Zeitung, dass die Daten der gesamten Bevölkerung Deutschlands, genauer die von ca. „20 Millionen Haushalten“ in Deutschland im Umlauf und käuflich für Marketing- und andere Zwecke zu erwerben seien.

So weit, so schlecht. Dass solche Daten beim Abschluss von Handy-und anderen Telekommunikations-Verrägen wie bei Bestellungen im Versandhandel (also auch beim E-Commerce!), bei der Teilnahme an Lotterien und anderen Glücksspielen erhoben werden, ist nichts Neues.  Dass sie auch den Mitarbeitern dubioser Call-Center, die sie beim „Telefon-Marketing“ (das eigentlich verboten ist, wenn der Angerufene der Aktion nicht explizit zugestimmt hat) nutzen, zur Verfügung stehen, ist schon schlimm genug. Dass sie nun, ob von den Call-Centern oder den erhebenden Unternehmen selbst, in Umlauf gebracht und Adress-Händlern sowie anderen Interessierten auch im Internet zum Kauf angeboten wurden, das ist schlicht ein Skandal. Und ein GAU für den Datenschutz. Wohlgemerkt: nicht für die Datenschützer, sondern für das Anliegen des Datenschutzes und das (bestenhende) Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“!

Dabei ist das forsche Treiben von Call-Centern und Personendaten-Händlern, keineswegs etwas Neues, wie uns jetzt einmal mehr „empörte“ Politiker Glauben machen wollen. Jeder im Bereich von Online- oder Offline-Marketing Beschäftigte weiss, wie er die für seine Aktionen benötigten Daten beschaffen kann. Dass sich dabei die Grenzen der Legalität immer weiter „verflüchtigten“, immer unschärfer und immer weniger erkennbar wurden, liegt weniger an den unmittelbar Beteiligten, sondern an einem so zu sagen „stillen“ Einverständnis, dass der Datenschutz selbst zwar ein hohes Gut, die weiter gegebenen Informationen, aber doch eigentlich recht harmlos und für die zu Schützenden jedenfalls nicht schädlich sein könnten.

Und genau da liegt das Problem. Wir brauchen keine neuen Gesetze zum Datenschutz – die bestehenden sind heute schon unter den besten und genauesten der Welt, und schon gar keine neuen Verfassungszusatz, der dem bereits bestehenden lediglich einen weiteren symbolischen Artikel hinzufügen würde. Was wir alle, betroffene Bürger und legal oder illegal mit solchen Personendaten „arbeitende“ Menschen, Institutionen und Unternehmen wirklich brauchen, ist eine neue Kultur des Datenschutzes. Ein neues Bewusstsein für den Wert und die Verletzbarkeit persönlicher Daten.

Und nicht zuletzt brauchen wir eine neue und breite Debatte darüber, wer mit welchen Daten überhaupt umgehen darf. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen (lassen) immer und überall über alles und jedes Auskunft zu geben. Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir selbst immer die entscheidende Instanz zur Freigabe dieser Daten sind und bleiben. Dadurch dürfen niemandem Nachteile entstehen – ob beim Online-Einkauf oder beim Abschluss eines Handy-Vertrags. Deswegen müssen Kunden jederzeit die entscheidende Kontrolle darüber haben, wer welche Daten überhaupt erheben und nutzen darf.

Zu diesem neuen und sensibleren Bewusstsein in Sachen Datenschutz gehört auch, dass wir alle wissen (und uns darauf verlassen können!), dass es ein entscheidender Unterschied ist, ob ich einem Freund über meine Neigungen und Vorlieben Auskunft gebe (ob in der Kneipe oder online in einem „Social Network“), oder ob ich Dritten Zugang zu meinen Finanz – oder auch Gesundheitsdaten gebe. In jedem Fall aber muss jede Form der Weitergabe solcher im Vertrauen überlassener Daten nicht nur bestraft, sondern vor allem geächtet werden.  Erst wenn diejenigen, die sich auf irgendwelche fragwürdigen „Daten-Deals“ einlassen im Internet am öffentlichen „Pranger“ stehen, werden sie begreifen, dass solches Tun auch wirtschaftlich unabsehbare Konsequenzen hat und ein Unternehmen in seiner Existenz gefährden kann.

Sicher: Das tut weh. Aber es hilft. Jedenfalls mehr als unausgereifte Gesetze und aufgeregte Sonntagsreden.

4 Antworten

  1. Ja wenn doch nur alle die im B/L-DSG geforderte Daten-Sparsamkeit „leben“ würden, bräuchten wir keine stärkeren Gesetze. Aber solange insbesondere personenbezogene Daten ein lohnenswertes „Geschäft“ bedeuten und die Konsequenzen beim „erwischt werden“ in keinem Verhältnis zum erwarten/gemachten Gewinn stehen, stört das die Wenigsten…
    Die bereits jetzt möglichen Urteile von bis zu 2 Jahren Freiheitsentzug bei entsprechenden Verstössen sind meines Wissens bisher noch nie auch nur annähernd ausgeschöpft worden. Erst durch eine entsprechende gerichtliche Praxis mit adäquaten Medienecho werden aus „Kavaliers-Delikten“ Straftaten.

  2. Alternative: Wir gewöhnen uns daran, dass nichts mehr geheim ist. Datenschutz ist ohnehin so wie die Sache mit des Königs neuen Kleidern: Wir glauben alle, dass wir angezogen sind, weil unsere persönlichen Daten geheim sind. In Wirklichkeit stehen wir ohenhin alle schon splitternackt da.

    Apsropos splitternackt: Als wir vor Jahren nach München zogen, sind wir (Ehefrau, Tochter, ichz) mal an einem schönen Sommertag an die Isar gegangen zum Picknick. Wir waren die einzigen dort, die Badesachen trugen. Irgendwann kamen wir uns einfach dämlich vor und haben sie abgelegt. Das war nur ein paar Minuten lang unangenehm, danach war es uns wurschtegal…

    Allerdings: Diese radikale Offenheit darf dann auch keine Einbahnstrasse sein. Die Gegenseite – Wirtschaft, Behörden – muss notfalls gezwungen werden offen zu legen, WAS sie über uns wissen. Dann herrscht Waffengleichheit.

  3. samson hat ja so recht. es ist in der tat ein problem, dass unsere gerichte und behörden das ihnen zur verfügung stehende strafmass nur selten ausnutzen. die „bayerische datenschutzbehörde für den nicht-öffentlichen bereich“ – sowas gibt es – hat nach einem bericht der süddeutschen zeitung von gestern für die verbotene weitergabe personenbezogener daten bislang eine höchstbusse von 1.600 eur ausgesprochen – möglich wären 250.000 euro! 1.600 euro zahlt man schon, wenn man fünf mal in netter gesellschaft an unerlaubter stelle vor dem bayeischen landtag raucht. nur mal so zum vergleich …

  4. Gestern bekam meine Frau einen Anruf von der Telekom. Man gratulierte ihr, dass Sie Kundin bei der Telekom ist und fragte, ob sie mit ihren Verträgen zufrieden sei. Dann sollten ein paar Daten abgeglichen werden. Frage, ob meine Frau noch der Soundso-Straße wohne. (Da wohnt sie seit 8 Jahren nicht mehr.) Antwort: ja. Frage, ob sie ihr Konto noch bei der Haspa habe. (Deren klassisches Einzugsgebiet ist 450 Kilometer von dem vermuteten Wohnsitz entfernt.) Antwort: Jetzt reicht’s.
    Phishing?
    Jetzt reicht’s.

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