Es hätte so einfach sein können. Kreuz UND Schnee auf einem Pressefoto der Zugspitzbahnen. Fotograf: Benedikt Lechner

Die Eskimo (oder politisch korrekt Inuit) haben über 200 Wörter für das, was wir simpel Schnee nennen. Das ist natürlich Unfug, ein nicht auszurottender Irrtum, der es dank Literatur, Internet und großer Sympathie und romantisierender Begeisterung moderner und entwurzelter Stadtmenschen für das ursprüngliche Leben Naturvölker zu weitester Verbreitung und Unausrottbarkeit geschafft hat.
Immer wieder zitieren Freizeit-Anthropologen diesen Unfug, wenn sie beweisen damit wollen, wie naturverbunden doch Eskimos leben, und wie entfremdet wir mit den Elementen umgehen.
Um im Sommer Schnee sehen zu können, muss man hoch hinaus. In Deutschland nach ganz oben: Auf die Zugspitze. Und da Schnee nun mal zu den Naturereignissen gehört, die den Menschen aus heißen Klimazonen fremd sind, ist er für diese eine Attraktion.
So ist es verständlich, dass die arabischen Familien, die im Sommer Deutschland bereisen und insbesondere das Stadtbild Münchens prägen, für Schnee genauso begeisterungsfähig sind wie Japaner für Schloss Neuschwanstein – oder  trekkingsandalenbewehrte Mitteleuropäer für die Sanddünen der Sahara. Während die einen in Reisebussen nach Füssen ins Ludwigschloss gekarrt werden, lassen sich die anderen mit Limousinen nach Garmisch-Patenkirchen fahren. Von dort geht es die Seilbahn hinauf auf die Zugspitze. Und tatsächlich: Dort oben liegen ein paar Zentimeter Schnee, die arabischen Touristen sind völlig aus dem Häuschen, formen Schneebälle, fotografieren sich mit ihren iPhones und alles ist gut.
Das hat sich auch der Betreiber der Zugspitzbahn gedacht. Als findiger Werbestratege hat er einen Flyer für genau diese Klientel produziert, mit dem er noch mehr Araber auf Deutschlands höchsten Berg bringen will.

Pressefoto der Zugspitze. Fotograf: BZB.

Aber der Flyer sorgt  in Bayern für erhebliche Aufregung, und das hinauf bis in hohe klerikale Kreise. Denn in diesem Prospekt fehlt ein wesentlicher Bestandteil der Zugspitze: Das Gipfelkreuz. Nicht, dass es nicht da wäre, nach seiner Renovierung 2009 wurde es ja längst wieder errichtet. Es ist einfach nicht zu sehen – und das ist im christkatholischen Oberbayern ein handfester Skandal.
Postwendend setzte in der vergangenen Woche ein Rauschen im bayerischen Blätterwald ein. Der erste Vorwurf, das Kreuz wäre mit Rücksicht auf muslimische Touristen heraus retuschiert worden, ließ sich nicht halten. Denn der Betreiber der Bahn bei der Auswahl des Bildes eines genommen, in dem das Kreuz nicht zu sehen ist, dafür aber umso mehr Schnee. Schließlich ist es genau das, was sie den Arabern verkaufen wollen.
Allein es hilft nichts:
Die Kritik reißt nicht ab. Im Gegenteil. Es könne der Eindruck entstehen, man wolle die religiösen Wurzeln Bayerns verleugnen, sagte Weihbischof Wolfgang Bischof laut einer Mitteilung des Erzbistums München. Dass eigens für das Foto des arabischsprachigen Prospekts eine Perspektive gewählt wurde, aus der das Gipfelkreuz nicht zu sehen ist, bezeichnet der Weihbischof laut Süddeutscher Zeitung als ‚unnötig und irreführend‘.
Ins gleiche Horn stößt seine evangelische Amtskollegin, die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler. Sie hatte laut SZ  in einem Kommentar verlauten lassen: ‚Dümmer geht s nimmer.‘

Und schon füllen sich die Leserbriefseiten in der bayerischen Presse vor allem der konservativen wie dem Münchner Merkur  mit wutentbrannten Kommentaren. Von einem vorauseilendem Kniefall und Duckmäusertum gegenüber den arabischen Geldbringern ist die Rede, von der Verleugnung der christlichen Tradition, von Verrat an bayerischer Heimat, an Brauchtum und Religion.
Und – wie könnte es anders sein – drehen die Kommentatoren gleich auch den Spieß um und weisen auf die vielfältigen Unterdrückungen der Christen in muslimischen Ländern hin – bis hin zu Kirchenstürmungen und Mord an den Gläubigen.
Schärfer noch sind die Kommentare unter den online veröffentlichten Presseberichten: Soviel Hochverrat an einer Religion wie ihn die Christen derzeit betreiben gab es noch niemals zuvor in der Geschichte unserer Zivilisation. Christen von Heute sind nur noch lächerliche, jämmerliche Puppen von Politikern und der Islamischen Welt schreibt zum Beispiel ein wutentbrannter User von Welt Online.
Natürlich unterstellen sämtliche Kommentatoren den Bahnbetreibern, mit dem Blick auf die erwarteten 20.000 bis 25.000 muslimischen Besucher, ganz bewusst ein kreuzloses Bild gewählt zu haben. Vielleicht zu Recht.
Nun aber hat die vehemente Verteidigung des Kreuzes im öffentlichen Raum in Bayern eine ganz besondere Tradition. Man denke nur an den erbitteren Streit um die Kreuze in Schulen.  Allein: Den Freistaat ficht das nicht an.  Bayern verfügt noch immer über ausreichend „Kreuz-Ritter“.

Für die selbsternannten kreuzfahrerischen Hütern des wahren Glaubens ist dieses Garmischer Foto eine Steilvorlage. Endlich kann man sich mal wieder gegenüber der arabischen Welt aufmanteln, von Brauchtum und Tradition reden, von tiefen christlichen Wurzeln und Verteidigung des Glaubens, die es zu verteidigen gilt und umgekehrt alle Formen der Toleranz erwarten, wenn Touristinnen barbusig am Strand von Dubai liegen möchten.
Hartnäckig hält sich derweil im Netz die Unterstellung gegenüber der Zugspitzbahn, das Kreuz sei eben doch heraus retuschiert Wen wundert’s? Es gibt ja auch 200 Wörter für Schnee.
Fehlt eigentlich nur noch der Shitstorm und der Boykottaufruf, man solle, als wackerer Christenmensch die Zugspitze erst dann wieder besuchen, wenn im arabischen Flyer ein Gipfelfoto mit Kreuz abgesruckt wird. Aber das kommt sicher auch bald.

Es ist eben ein Kreuz mit dem Kreuz…

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