teenblogging

Wo bleibt der Nachwuchs?

Bloggen ist inzwischen das Uncoolste, was man im Internet machen kann. Das behauptet jedenfalls Nick Carr, der Mann, dem wie die legendäre Frage verdanken: „Does IT matter?“ Er beruft sich auf eine Studie von Pew Internet, wonach die Zahl der Jugendlichen Blogger seit 2006 dramatisch abgestürzt ist. Damals gaben 28 Prozent der Teenager und jungen Erwachsenen noch an, Blogs zu schreiben. Heute sind es nur noch 14 Prozent. Sie kommentieren auch die Blogs von anderen viel seltener als früher. Vor vier Jahren hinterließen noch 76 Prozent der jüngeren Internet-Nutzer Anmerkungen unter dem, was andere online abgesondert haben. Heute sind es nur noch 52 Prozent.

Nicht, dass die Kids dem Internet den Rücken kehren würden – im Gegenteil! 73 Prozent der amerikanischen Teens geben an, regelmäßig in sozialen Netzwerken unterwegs zu sein. Im November 2006 waren es nur 55 Prozent. Aber die Beliebtheit bestimmter Features von Facebook & Co. hat sich verändert. Und sie sind offenbar auch unkommunikativer geworden.

Die Zahl derjenigen, die die Nachrichtenfunktion von Sites wie Facebook  nutzen, um ihren Freunden etwas mitzuteilen, ist jedenfalls stark gesunken. Und wer geglaubt hat, Twitter sei cool, der sollte sich langsam nach einem Platz im Altersheim umsehen: „Teens are not using Twitter in large numbers“, schreiben die Pew-Autoren. Nur 8 Prozent der Gruppe der 12- bis 17-jährigen zwitschert online – ungefähr so viele, wie sich auf Avatar-Friedhöfen wie „Second Life“ herumtreiben. Und es kommt noch schlimmer: Wenn überhaupt, dann ist Twitter etwas für Mädchen! „High school girls are particularly likely to use Twitter“, heißt es bei Pew. 13 Prozent der Schülerinnen zwischen 14 und 17 bekennen sich zu Twitter, bei den Knaben sind es nur 7 Prozent.

„Soziale Netzwerke wachsen weiterhin, aber dort die eingesetzten Werkzeuge und Technologien verändern sich. Das führt bei Jugendlichen dazu, sich vom ‚Macro-Blogging‘ abzuwenden zugunsten von Microblogs mit Status-Aktualisierungen“, so die Studie. Anders ausgedrückt: Statt sich endlos auszuschleimen, halten sich die jungen Menschen mit kurz hingeworfenen Updates  auf dem Laufenden. Dafür ist die Zahl der Teenies, die regelmäßig ein Handy benutzen, in den letzten zehn Jahren geradezu explodiert: 2004 waren es 18 Prozent, heute haben 58 Prozent der Zwölfjährigen (!) ein Mobiltelefon.

Die Conclusio scheint unausweichlich: Kids quatschen mehr und schreiben weniger. Das ist ein herber Schlag für all diejenigen (der Autor dieser  Zeilen inbegriffen), die sich über die scheinbare Wiedergeburt der Schreibkultur im Internet-Zeitalter gefreut haben, auch wenn sich darin nicht unbedingt die Schriftsprache Goethes und Schillers widerspiegelte. Nein, die jungen Leute sind tatsächlich schreibfaul!

Was bedeutet das? Wie geht es weiter? Frißt die Web 2.0-Revolution ihre Kinder? Wird Bloggen bald nur noch ein Hobby für Präsenile sein, ungefähr so hip wie Häkeln oder Kreuzworträtsel?

Nick Carr reibt typischerweise wieder Salz in die Wunde. „Wenn ich heutzutage blogge, komme ich mir vor, als würde ich in einem Schaukelstuhl sitzen und hochabsorbierende Unterwäsche tragen, während ich irgendeine überhypte Behandlung von Hühneraugen beschreibe (iPad?).“ Laut Carr ist „Blogger“ unter Pennälern zum Schimpfwort des Jahres mutiert, was er mit folgendem Dialog illuistriert:

„Du bist so ein Blogger, Derek!“

„Du bist der Blogger von uns beiden, Sean.“

„Bin ich nicht!“

„Bist du doch!“

Und natürlich gibt es, wie er behauptet, auch schon die ersten Blogger-Witze:

„Wie viele Blogger braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?“

„Wen kümmert’s?“

Bloggen und Twittern sind also nur noch etwas für uns Alte. Aber was ist, wenn wir eines Tages nicht mehr da sind? Stirbt mit unserer Generation auch die Kunstform des Online-Tagebuchs? Wer schickt uns noch einen letzten Tweet hinterher auf die lange Reise in die Dunkelheit?

Es könnte bald einsam werden im Internet. Schade, dass ich das noch erleben muss…

8 Antworten

  1. Stirbt mit unserer Generation auch die Kunstform des Online-Tagebuchs?

    Blogs als Online-Tagebücher? Diese Blogs dürfen gerne sterben, sie waren für mich noch nie ein Thema …

    Blogs als CMS hingegen werden nicht sterben, wieso denn auch? Jedenfalls solange nicht, wie Facebook und Co. für eigene Publikationen von mehr als zwei, drei Abschnitten Länge vollkommen ungeeignet sind …

  2. Keine Panik. Wenn es etwas gibt, das mich misstrauischer macht als „Jugendtrends“, dann sind das Leute, die solche Trends erforschen. Das lohnt sich doch meistens nicht. Ein gewisser Prozentsatz der Jugend kann lesen und schreiben. Davon wieder ein paar Prozent tun dies auch. Manchmal ist irgendwas „hip“ und es tun mehr Leute als normal. Dann ist nichtmal „hip“ mehr hip und es gibt was neues. Trotzdem werden immer Leute lesen und immer Leute schreiben und um so manche Kommentare ist es nicht wirklich schade.

    Und, last but not least: Für mich war Bloggen immer schon eine Beschäftigung, die ich als Jugendlicher nie gemacht hätte. Und twittern war doch eh immer nur eine Modeerscheinung, wie Second Life oder Facebook (oops, die sind ja noch da… nix für ungut). Jetzt fragt sich nur, wann die erste Meldung kommt, die Jugend würde nicht mehr SMSen. Oder ihre Handies zuhause lassen.

    Also, Kopf hoch! Wir bloggen weiter und warten, ob uns nicht doch weiter ein paar Leute lesen. Und es werden auch junge dabei sein 🙂

  3. Sorry, aber dass Jugendliche nicht mehr schreiben, ist einfach Unsinn. Das Gegenteil ist der Fall.
    Wozu benutzen sie ihre Handys überwiegend? Nicht um der teuren, mobilen Sprachtelefonie zu fröhnen: sondern um sich SMSen zu schicken, per ICQ und MSN zu chatten, und ja doch zu twittern. Nur eben nicht vom PC, sondern vom Handy aus, was dann bei den glorreichen Zählungen leider nicht erfasst wird.

    Das alles bedeutet, dass diese Jugendlichen, das Medium als das, was es ist, verstanden haben (schneller als wir schreibenden „alten Säcke“): dialogisch und interaktiv. D. h. sie schreiben, indem sie kurze Stati austauschen. Nicht übrigens, weil SMS und Twitter nur 140 Zeichen „können“. Wieder ist das Gegenteil der Fall: 140 ist das, was man einzutippen schafft, wenn man flink genug ist, versteht sich, bevor die nächste message einläuft.

    Also: Das Web und die Kids verändern gerade unsere Schreibkultur fundamental. Nicht einmal so sehr Orthografie und Grammatik, sondern vor allem, die Art, wie sie ihre Gedanken nieder schreiben. Nicht mehr vor sich hin monologisierend, sondern im schnellen, kurzen Dialog.

  4. es ist mir eigentlich herzlich egal, ob nach uns die null-blog-generation kommt oder nicht. ich habe die bloggerei auch niemals als „kunstform“ angesehen, sondern eher als kommunikationsform. nicht alles, was sich nicht reimt, ist gleich „kunst“.
    das interessante an neuen kommunikationsformen ist doch gerade, dass sie sich nicht verfestigen, dass sie sich in einem ständigen transformationsprozess befinden, dass einer, der heute noch die technologische avantgarde mimt, uns morgen schon als schirrmacher entgegentreten kann.
    ein freund meines sohnes, der so gerade noch als jugendlicher sich beschreiben darf, hat vor einiger zeit die kleine erika (die schreibmaschine) und die pfeife (drei dinge braucht das kind) für sich entdeckt. ober er damit einen neuen jugendkult auslöst? wohl kaum. vielleicht aber doch. und wenn schon.
    das schönste am bloggen ist doch, dass es keine rolle spielt, ob man gelesen wird, dass man aber niemals die hoffnung aufgeben muss, dass sich da plötzlich ein leser von ganz hinten meldet.

    „um der bloglosen ist uns das bloggen gegeben.“ (ernst blog) uääähhhh …

  5. Naja, mal ehrlich … Irgendwas schreiben war noch nie cool.
    Etwas erleben ist cool, dann über das Erlebte zu schreiben ist nett, aber nicht cool.

    Hemingway war cool, weil er gejagt hat, Stierkämpfe besucht hat, im Krieg war, in Paris abgehangen ist, haufenweise Weiber abgeschleppt und Unmengen gesoffen hat. Dass er geschrieben hat, hat seiner Coolness nicht geschadet, aber das war’s auch schon.

  6. naja, manche sachen machen einfach freude ob trend oder nicht. und meiner erfahrung nach bleibt nach jedem trend und jedem hype ein harter kern von aktiven, die die dinge weiter treiben. ich habe nicht vor, aufzuhören nur weil irgendwelche befrager wieder eine neue statistik fabriziert haben. dann hätte ich längst mit dem rauchen, dem weintrinken, dem joggen, dem lesen und wahrscheinlich auch mit dem sprechen aufgehört.
    @ossi. manchmal habe ich allerdings den eindruck, dass viele leute die 140 zeichen so lieben, weil sie nicht mehr mitzuteilen haben, als den ort, an dem sie gerade kaffee trinken.

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