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Suchrätsel mit Restaurantkritiker: Wer ist der Reifenverkäufer?

Warum Twittern, wenn es einen den Job kosten könnte? Vor dieser Frage stehen neuerdings die Tester des „Guide Michelin“ in New York: Einerseits leben sie und der Ruf ihres Restaurantführers vonihrer Anonymität. Aber andererseits will man ja mit der Zeit gehen, um nicht als altmodisch dazustehen. Der Kompromiss: Wenn ein Tester beispielsweise einen Tweet absetzen will wie: „Lunch at Jaiya, renovations stll under way, but looks good. Yummy spring roll“, dann landet diese zunächst bei einem Vorgesetzten in der Michelin-Zentrale, der ihn prüft und freigibt. Man fürchtet offenbar, dass andere Twitter-User, die ebenfalls in dem Lokal gegessen haben, sich uhtereinander abstimmen und ausknobeln könnten, wer der geheimnisvolle „Michelin inspector“ war. Womit dessen Karriere abrupt zu Ende wäre.

Das plötzliche Interesse von Michelin an modernen Kommunikationsformen ist allerdings nicht nur auf den WUnsch zurückzuführen, den Muff von inzwischen 109 Jahren wegzupusten (der erste Michelinführer erschien im Jahr 1900 als Liste empfehlenswerter otels; der Reifenhersteller hoffte, die Autobesitzer würden dann mehr Kilometer zurücklegen und damit ihre Reifen schneller abnutzen). In Wahrheit ist es ein Schachzug gegen die übermächtige Konkurrenz des Restaurantführers „Zagat’s“, der als Platzhirsch den Markt in New York seit 30 Jahren beherrscht. Michelin brachte erst 2006 seine Erstausgabe „Michelin New York“ heraus.

Während Zagat vor allem auf die Befragung von Restaurantgästen setzt, vergeben bei Michelin hauptberufliche „Inspektoren“ Sterne und Gabeln. Sie buchen stets unter falschem Namen einen Tisch und benützen gegenüber Freunden und Bekannten eine erfundene Biografie. Michelin betont den Unterschied neuerdings auch in einer witzigen Anzeigenserie mit Bildern, auf denen ein vollbesetzte Gaststätte zu sehen ist und auf denen die Headline fragt: „Wer ist der bekanntlich anonyme Inspektor?“ Im Lauftext kommt dann die Auflösung: „Sie werden es nie erfahren…“

Natürlich gibt es auch schon die dazugehörige Website (www.famouslyanonymous.com) mit einem Link zu den Twitter-Feeds der Tester (@MichelinGuideNY). Einer von ihnen hatte neulich gerade einen Artikel über die Aktion in den „New York Times“ entdeckt und gleich aufreget hinausgetweetet: „Wow… Just read about us in the New York Times!! Check out the article at http://bit.ly/z4Mo5„.

Wenn ihn das nur nicht seinen Job kostet!

4 Antworten

  1. Um muffeliges und unmotiviertes Gastro-Personal auf Trab zu bringen empfehle ich einen Twitteraccount mit einem Nick, wie z.B. Foodcritic, GuideM, Gastrotester o.ä. einzurichten.

    Dann setze man sich in das Restaurant seiner Wahl und twittert: „Sitze im @restaurantname und warte schon ewig auf mein Schnitzel“ und dann ein Erkennungssignal wie: „Mein schwarzer Rolli kratzt, Fleck auf meine rote Krawatte gemacht, muss mich dringend rasieren“

    Dann muss man nur noch hoffen, dass man als vermeintlicher Gastrokritiker identifiziert wird und erlebt einen schönen Abend mit sehr bemühten Kellnern und Küchenpersonal.

  2. Wer zur roten Krawatte einen schwarzen Rolli(!) trägt, hat sich als Gastrokritiker längst disqualifiziert 😛

    Nein, SCNR, die Idee ist ausgezeichnet, wenn herkömmliche Methoden scheitern. Es genügt nämlich oft, sich Notizen zu machen, am besten in ein Moleskine.

  3. @ alexander
    ein anständiges lokal wirft männer mit roter krawatte über schwarzem rolli einfach hinaus. diese exaltierte mischung aus westerwelle und steve jobs ist doch unerträglich!

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