Soziale Netzwerke haben sich vor geraumer Zeit zu profunden Instrumentarien entwickelt, wenn es darum geht, seiner Unzufriedenheit Ausruck zu verleihen. Was damit begann, seinem Ärger oder seinem Unmut Luft zu machen – sei es auf Facebook, Twitter oder auf anderen Plattformen – ist mittlerweile die „Stimme des Verbrauchers“, also des kleinen Mannes im Kampf gegen die Arroganz und mangelnde Kundenfreundlichkeit großer Konzerne. Das ist keine neue Erkenntnis:
Bahnreisende empören sich über mangelnde Durchsagen auf Bahnhöfen, wenn die Züge verspätet abfahren. Andere erregen sich über die Unpünktlichkeit. Wieder andere sind sauer wegen unverschämter Behandlung bei Hotlines, schlechter Produkte oder Dienstleistungen, nicht nachvollziehbarer Preiserhöhungen, mangelndem Kundenservice usw. usw. Die Liste der Shitstorms ist schier unendlich – mal sind sie groß, mal klein.
Eine völlig neue Dimension der Wechselwirkung zwischen digitaler Beschwerde und realen Reaktionen erlebte vor einigen Tagen Duff Watson, wie  mittlerweile einigen Medien zu entnehmen ist. Dabei ist die Geschichte nicht einmal ein klassischer Shitstorm sondern die Reaktion auf einen einzigen Tweet, den Duff Watson abgesetzt hatte.

Was ist passiert?
Duff Watson, Vielflieger, möchte von seinem Status Gebrauch machen und Priority-Boarding in Anspruch nehmen. Allerdings hat er seine beiden Söhne (6 und 9), die natürlich keine Vielflieger sind, dabei. Also verweigert man den Jungs das bevorzugte Einchecken. Es kommt zu einem kleinen Disput zwischen Watson und der Airlinemitarbeiterin am Gate. Schließlich stellt sich Watson wieder in die Schlange und twittert, er habe noch nie eine solche rüde Behandlung erlebt wie am Gate C39 in Denver. Und er addressiert den Tweet an @SWA, also South West Airlines.
Und der Tweet erreicht seinen Empfänger, wie aus dem nun folgendem unschwer zu erkennen ist.
Kaum ist das Boarding abgeschlossen werden Duff und seine Söhne von dem Kabinenpersonal aufgefordert, den Flieger wieder zu verlassen. Gründe teilt man ihm erst draußen mit. Er sei wohl eine Bedrohung der Sicherheit (Security Threat).
Den wahren Grund erfährt Duff Watson am Gate. Dort nämlich wird er aufgefordert, den Tweet zu löschen, dann dürfe er mit seinen Söhnen zurück ins Flugzeug.
Die Moral von der Geschicht‘: Du hättest fliegen können, wenn du geschwiegen hättest.

Duff, vermutlich nervlich etwas angespannt und in Gesellschaft zweier Kinder, die völlig irritiert und schockiert sind, dass sie als vermeintliche Bedrohung eines Flugzeugs bezeichnet wurden, löscht natürlich den Tweet. Denn er will mit seinen Söhnen möglichst in Ruhe nach Washington fliegen. Doch kaum am Zielflughafen angekommen, macht der Amerikaner das Fass erneut auf – dieses Mal so weit, dass ABC das Thema aufgreift und über den Vorfall berichtet.
Und dann passiert, was in solchen Fällen immer passiert: Der eine sagt’s dem anderen, was heißt, andere Medien zitieren ihre ABC-Kollegen – die Geschichte läuft um die ganze Welt. Von ABC zum Beispiel zum The Independent, zu Spiegel Online, immer wieder zurück zu Twitter und so weiter. Weiter, weiter, immer weiter…
Das ist Pech für SWA. Die Airline hatte sich ihre Krisenintervention vermutlich anders vorgestellt. Mit dem unmittelbaren Reagieren und dem Löschen des Tweets, so hatte sich wohl das verantwortliche Managment gedacht, sei ein Shitstorm so früh erstickt worden, noch bevor er sich habe entfalten können.
Das hat sich SWA sicher einiges kosten lassen, denn ein Flugzeug durch eine solche Aktion länger als notwendig am Gate zu halten, den Startslot zu verlieren, einen neuen zu bekommen etc. dürfte einiges an Aufwand verursacht haben. Nur hat eben SWA die Rechnung ohne den Gast gemacht.
Mittlerweile hat SWA Duff Watson großzügig einen Gutschein von 50 Dollar als Entschuldigung für die entstandenen Unanehmlichkeiten angeboten. Watson aber hat in seinem Interview bereits angekündigt, in Zukunft keine weiteren Flüge von SWA mehr zu buchen – was man verstehen kann. Ob sich andere ein Beispiel daran nehmen, steht auf einem anderen Blatt. An SWA aber kann man sich durchaus ein Beipsiel nehmen – nämlich, wie man in einer solchen Situation besser nicht reagieren sollte.

Ach ja. Noch etwas. Gerade erinnere ich mich daran, dass ich auch ganz gerne vor einem Flug auf Twitter unterwegs bin. Und da fällt mir ein Tweet ein, den ich vor nicht allzulanger Zeit direkt aus dem Flugzeug noch vor dem Start abgesetzt habe:

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Ich bin schon erleichtert, wie viel Glück ich bei diesem naiven Handeln gehabt habe. Gut, dass British Airways so viel Spaß versteht. Was hätte da sonst nicht alles passieren können…

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